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AutorenbildRobert Lönarz

Netzwerkabend des Bund Deutscher Oenologen e.V.

"Wir brauchen Menschen mit Motivation und Faszination!"

Der frisch gewählte UIOE-Ehren-Präsident Edmund Diesler beim Netzwerkabend


Am 11. November 2024 trafen sich über 70 Teilnehmer persönlich in Geisenheim, ergänzt durch 40 digitale Teilnehmer, um sich bei der diesjährigen BDO-Tagung intensiv über die Zukunft der Weinwirtschaft auszutauschen. Unter dem Titel „Weinwirtschaft – quo vadis? Traum oder Albtraum?“ lag der Fokus in diesem Jahr auf Chancen und Herausforderungen für die Branche.


Blick in die Zukunft trotz Krisen

Den Auftakt machte Erik Schweickert, Präsident des Bund Deutscher Oenologen (BDO), der die Stimmung auf den Punkt brachte: Trotz globaler Krisen gibt es Grund zur Zuversicht. „Alle Krisen tragen auch Chancen in sich,“ betonte Schweickert. „Es geht uns besser, als wir oft denken.“ Im Hinblick auf die internationale Weinwirtschaft verwies Schweickert auf andere Länder, die mit ähnlichen oder gar größeren Herausforderungen kämpfen. Dies, so Schweickert, mache einen Austausch und die Aufnahme internationaler Impulse essenziell.

Präsident der Hochschule Geisenheim und somit Gastgeber Prof. Dr. Hans Reiner Schultz knüpfte daran an und stellte die Bedeutung der Forschung und Ausbildung in den Vordergrund. Er hob die Investitionen in Neubauten und die Relevanz von Zukunftsthemen wie Entalkoholisierung hervor. „Die Forschung und Ausbildung müssen die aktuellen Themen ernst nehmen“, sagte Schultz und äußerte die Hoffnung, dass die Tagung hierfür konkrete Lösungsansätze bieten könnte.

 

Internationale Herausforderungen: Einblicke aus Spanien

Ein Höhepunkt der Tagung war der Vortrag von Mireia Torres vom Weingut Torres aus Spanien, die die klimatischen Herausforderungen in Spanien schilderte. Extremwetterereignisse wie Waldbrände und Trockenheit setzen die spanische Weinwirtschaft unter enormen Druck. Torres berichtete, wie spanische Weingüter bereits jetzt durch Wassermanagement, die Suche nach klimaresistenten Anbaugebieten und den Einsatz organischer Düngemittel gegensteuern. „Es geht um eine Verantwortung, die wir gegenüber unserer Umwelt und zukünftigen Generationen tragen,“ sagte sie.  Familia Torres setzt zukunftsweisende Projekte im Bereich Nachhaltigkeit um, um gegen den Klimawandel anzukämpfen und die Weinbranche zu transformieren. Sie reduzieren CO₂-Emissionen durch erneuerbare Energien und leichte Flaschen, pflanzen hitzeresistente Rebsorten und fördern die regenerative Landwirtschaft zur Boden- und Biodiversitätsverbesserung. Zudem arbeitet Torres an Technologien zur CO₂-Rückgewinnung und ist Mitbegründer von International Wineries for Climate Action, um kollektive Maßnahmen im Weinbau voranzutreiben.

 

DWI-Marktzahlen: Weinkonsum und neue Käuferschichten

Aktuelle Zahlen zum deutschen Weinkonsum präsentierte Eberhard Abele vom Deutschen Weininstitut (DWI). Die Ergebnisse zeigen einen Rückgang der Absatzmengen, der vor allem auf den Verlust von Weinkäufern zurückzuführen sei. Auch Marktanteile deutscher Weine sinken weiterhin. Abele machte jedoch auf ein wachsendes Segment aufmerksam: alkoholfreie Weine, deren Käuferhaushalte sich um 125 % gesteigert haben. Die Herausforderung für die deutsche Weinwirtschaft liege daher auch in der Gewinnung neuer Zielgruppen, so Abele.

 

Podiumsdiskussion: Krisenbewältigung und Potenziale der deutschen Weinbranche

In einer lebhaften Podiumsdiskussion mit Karin Eymael, Marian Kopp, Wolfgang Heeß, Eberhard Abele und Stefan Braunewell wurden Krisen und Chancen in der deutschen Weinwirtschaft besprochen. Wolfgang Heeß (Ehrenpräsident des BDO) erinnerte an frühere Krisen im Weinbau, insbesondere im Fassweinmarkt, und an eine Zeit, in der die Überschüsse so hoch waren, dass „Schwimmbäder voller Wein“ existierten. Er betonte, dass die Konzentration der großen Kellereien die aktuellen Probleme noch verstärke.

Marian Kopp (Geschäftsführer WG Lauffen) mahnte, dass die deutsche Weinbranche gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) zersplittert sei und dadurch an Marktmacht verliere. „Wir können nicht wie andere Marken auftreten“, betonte Kopp und riet zu einem klugen Umgang mit dem Handel. Auch nachhaltiges Wirtschaften bleibe ein Schlüsselthema, das Konsumenten stark beeinflusse.

Braunewell (Vorsitzender des Rheinhessenwein e.V.) plädierte für eine stärkere Profilierung des deutschen Weins auf internationalen Märkten und forderte eine deutsche Weinkampagne, die die Stärken der heimischen Weinwirtschaft betont. „Die Zahlen sind nicht so schlecht, wir dürfen nicht aufgeben. Lasst uns stolz sein auf das, was wir leisten,“ sagte er abschließend.

 

Ergebnisse der Berufsfeldanalyse: Ein Oenologe als Allround-Talent

Ein weiteres Highlight der Tagung war die Präsentation der Berufsfeldanalyse durch Prof. Dr. Simone Loose und Dr. Christian Schäfer vom Institut für Wein- und Getränkewirtschaft der Hochschule Geisenheim. Diese Analyse wurde vom Bund Deutscher Oenologen in Auftrag gegeben und auf der Tagung wurden erstmalig die Ergebnisse präsentiert. 29 Betriebe und weitere Experten hatten im Vorfeld ihre Einschätzungen zur Zukunft des Berufsbildes des Oenologen gegeben. Die Befragung zeigte, dass der moderne Oenologe mehr als nur fachliches Wissen benötigt. Er soll ein Allrounder sein, der sowohl unternehmerisch als auch handwerklich denken und agieren kann. „Ohne Berufsausbildung und Praxiserfahrung ist man kein Oenologe,“ so die einhellige Meinung der Experten. Zudem sei ein hohes Maß an Innovationsfähigkeit und Leidenschaft für den Beruf gefragt.

Die modernen Oenologen sind zunehmend gefordert, sich als Unternehmer zu verstehen. Neben der Leidenschaft und intrinsischen Motivation wird erwartet, dass sie Verantwortung übernehmen und Projekte eigenständig und ergebnisorientiert umsetzen.

Ein zentrales Ergebnis der Analyse ist die Bedeutung praktischer Erfahrung. Fachkenntnisse im Weinbau und der Kellertechnik sind genauso entscheidend wie Fähigkeiten im Personalmanagement und Marketing. Das duale Studium wird als eine Möglichkeit genannt, diesen Praxisbezug zu stärken, da praktische Fertigkeiten durch reines akademisches Wissen allein oft nicht ausreichend entwickelt werden können.

Auch Auslandserfahrungen und Sprachkenntnisse sind wertvoll, um auf internationalen Märkten sicher agieren zu können. Vor allem Kenntnisse spezifischer Fachausdrücke in Fremdsprachen gelten als nützlich, da der Exportmarkt weiter an Bedeutung gewinnt.

Die Berufsfeldanalyse betont, dass die Ausbildung in den Grundlagenfächern vertieft werden sollte, während Spezialisierungen besser auf den Master verschoben werden. Ein modernes Studium soll daher sowohl Grundlagen in Produktion als auch Kenntnisse in digitalen Anwendungen wie Excel vermitteln, da diese als praktisch relevant angesehen werden.

"Ein moderner Oenologe muss in zwei Spähren bestehen können: Fachkompetenz im Weinberg und Keller sowie unternehmerische betriebswirtschaftliche Kompetenz"

 

Podiumsdiskussion: Die Zukunft der Ausbildung

In einer zweiten Podiumsdiskussion, moderiert von Prof. Dr. Jon Hanf von der Hochschule Geisenheim, diskutierten Klaus Schneider vom Deutschen Weinbauverband, Dr. Christian Schäfer, Prof. Dr. Manfred Stoll von der Hochschule Geisenheim, Maike Delp vom Bund Deutscher Landjugend und Prof. Dr. Erik Schweickert über die Ausbildung von Oenologen. Es wurde deutlich, dass Hochschulen nicht die „eierlegende Wollmilchsau“ produzieren können. Vielmehr sei es die Aufgabe der Hochschulen, eine Basis zu legen und die Praxisorientierung außerhalb der Hochschulen zu fördern. Prof. Dr. Schweickert plädierte für ein Projektstudium mit mehr praktischen Anteilen und wies darauf hin, dass es auch an adäquater Vergütung für qualifizierte Absolventen mangele. Delp und Schneider betonten, dass die Motivation für den Beruf entscheidend sei. „Es fehlt nicht an Menschen, die für den Beruf brennen“, stellte Delp fest.

 

Impulsvortrag von Prof. Dr.-Ing. Jan Wörner: „Was hat die Raumfahrt mit Wein zu tun?“

Für einen außergewöhnlichen Blick auf das Thema Wein sorgte Prof. Dr.-Ing. Jan Wörner, Präsident von acatech und früherer Leiter des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Er stellte die These auf, dass Weltraumforschung wertvolle Erkenntnisse für die Weinwirtschaft bieten könne. So seien Pflanzen, die unter Weltraumbedingungen wachsen, oft widerstandsfähiger gegen klimatische Herausforderungen. Wörner sprach von einem französischen Experiment, bei dem Rebstöcke auf die Internationale Raumstation gebracht wurden, um ihre Klimastabilität zu testen. Die daraus gewonnenen Pflanzen seien widerstandsfähiger gegen Mehltau und könnten Ende dieses Jahres auf den Markt kommen.

 

Fazit der Tagung

Die diesjährige BDO-Tagung zeigte eindrucksvoll, dass die Weinwirtschaft vor einer komplexen Zukunft steht, aber auch ein starkes Fundament besitzt, um Herausforderungen zu meistern. Zentrale Themen wie klimabedingte Anpassungen, Konsumveränderungen und das veränderte Berufsbild der Oenologen wurden intensiv beleuchtet. Die Branche braucht qualifizierte, motivierte und interdisziplinär denkende Fachkräfte, um erfolgreich zu sein – und sie benötigt einen klaren Fokus auf nachhaltiges Wirtschaften.

Prof. Dr. Erik Schweickert fasste den Tag treffend zusammen: „Wir brauchen Menschen mit Motivation und vor allem Faszination!“.



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